Nkonsonkonson

Symbol menschlicher Beziehungen;

Verantwortung füreinander;

Zusammenarbeit


Warum die Flüchtlingswellen? Und: Was kann Europa tun?

1) Ungerechte Handelsordnung als Fluchtursache

1.a) Das Geschäft mit den Altkleidern Manche Europäer behaupten, Altkleiderexporte in Entwicklungsländer würden nicht schaden. Aber in Wahrheit ruinieren Altkleiderspenden, mit denen gehandelt wird, die afrikanische Textilindustrie und vernichten Arbeitsplätze. Die Konsumenten in Entwick- lungsländern kleiden sich mit gebrauchten Textilien aus den Industrienationen ein, weil diese billig angeboten werden. Durch zwei in den Jahren 1997 und 1998 veröffentlichte Untersuchungen werden diese Vorwürfe entkräftet. An den Beispielen Ghana und Tu- nesien, den beiden wichtigsten Altkleider- Importländern auf dem afrikanischen Konti- nent, kommt die Studie der Schweizerischen Akademie für Entwicklung (SAD), Solo- thurn, zu dem Ergebnis, dass Altkleiderimporte aus Wohlstandsländern in die afrikani- schen Länder angeblich keine Gefährdung der dortigen Textilindustrien darstellen und keine Arbeitsplätze vernichten würden. In beiden Ländern genießen Gebrauchtkleider in allen Gesellschaftsschichten hohe Akzeptanz und hätten zahlreiche neue Arbeitsplät- ze geschaffen. In Ghana leben 150.000 Menschen vom Handel, der Reinigung und Um- arbeiten der gebrauchten Kleidungsstücke. Ein Importverbot hätte gravierende negative Folgen für die Mehrheit der Bevölkerung, weil es diese Arbeitsplätze vernichte. In Afri- ka bestreiten etwa 400.000 Menschen ihren Lebensunterhalt mit Alttextilien. Außerdem wird argumentiert, dass ökologische Aspekte eine Rolle spielen würden, da hier ge- brauchte Textilien aus den Industrieländern weiter verwendet und so Ressourcen ge- schont werden und Abfall vermieden wird. Alle diese Argumente sind an sich nicht falsch. Es wird aber dabei nicht berücksichtigt, dass die Textilfabriken in Afrika leer ste- hen. Dadurch werden Investitionen nicht genutzt, hunderte und tausende Arbeitsplätze sind verloren gegangen, und eine alte Tradition der Textilherstellung wird zerstört (s. auch die Stellungnahme von Prof. Klaus J. Bade). Traditionelle afrikanische Kleidung wird heute hauptsächlich in Europa hergestellt, wo man gut damit verdient. Angeblich ist der Handel mit der gebrauchten Kleidung so umweltschonend und verhindert Müll- produktion. Warum tragen die Europäer ihre gebrauchten Kleider dann nicht selbst? Wer gibt ihnen das Recht zu entscheiden, dass sie die Kleider zuerst tragen, und dann müssen es die Afrikaner tun? Sind Afrikaner vielleicht Menschen zweiter Klasse?

1.b) Das Geschäft mit alten oder billigen Lebensmitteln „Lege in Afrikas Hände das Brot, das du nicht mehr isst… Was du uns lässt, ist der müll- reife Rest deiner schaurigen Feste.“ (J. Craveiranha) Dieser afrikanische Dichter hat lan- ge Zeit in Europa gelebt, und er weiß um den Überfluss, die Unmoral und Verschwen- dungssucht vieler wohlhabender Menschen. Für die armen Menschen bleiben oft nur minderwertige Reste übrig. Der Dichter sieht die innere Leere vieler reicher Menschen, und ihre unersättliche Gier stößt ihn ab. Wie sollen die Ausgebeuteten ihre Freiheit gestalten? Wie sollen die Nachfahren der Sklaven mit ihren Verletzungen umgehen? Wer kann Afrika wirklich auf dem Weg in die Zukunft helfen? Manche Europäer denken an eine Wiedergutmachung des Unrechts, und dafür sind wir Afrikaner dankbar. Aber es ist noch ein langer Weg… Die Landwirtschaft Afrikas leidet unter massiven Im- portfluten von gedumpten Nahrungsmitteln, die die einheimischen Produzenten von ihrem eigenen Markt verdrängen und die Bauern und Fischer in den Ruin treiben. Die importierten Waren sind entweder durch Subventionen der Industrieländer so billig geworden, oder es ist Ausschussware, die in den „Dritte Welt“- Ländern noch einen Markt finden. Diese ungerechte Handelsordnung vernichtet unsere Existenzgrundlage. Ganz Afrika ist übersät mit tiefgefrorenen Hähnchenteilen, die zu 80% aus der EU stammen, mit tiefgefrorenem Fisch und minderwertigen Rindfleischteilen. Das verramschte Billig- fleisch stellt außerdem ein großes Gesundheitsrisiko dar, weil wir mangels Strom keine geschlossene Kühlkette fortsetzen können. Skrupellose Importeure, die mit den Regie- rungen und Zollbehörden unter einer Decke stecken und enorme Profite einfahren, bringen die Ware mit unverantwortlichen hygienischen Praktiken unter die Menschen. „Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“ (Bertolt Brecht in „Leben des Galileo Galilei“)

1.c) Keine alternative Quelle führen zu Landflucht Millionen von Kleinsterzeugern haben durch unfairen Handel ihre Existenzen verloren. Meine zwei Brüder, die Fischer waren, sind ein Beispiel dafür. Diese Menschen fallen der Perspektivlosigkeit zum Opfer. Die ehemaligen europäischen Kolonialherren, die Afrika beherrscht und in 300 Jahren ca. 40 Millionen Menschen versklavt haben, beuten heute immer noch unsere Bodenschätze und weiterhin über die Wirtschaft unsere Ent- wicklungsmöglichkeiten aus. Für die verdrängten und dadurch arbeitslos gewordenen Bauern und Fischer tut sich keine alternative Quelle für ihren Lebensunterhalt auf. Es ist ein Überlebenskampf geworden. Die Fortsetzung eines traditionellen Lebensstils wird so unmöglich gemacht, und eine ländliche Kultur und Wirtschaft im neuen Afrika werden zerstört. Wer sich gegen den Import auflehnt, wird politisch verfolgt. Vertreter von Bauernorganisationen, Fischer- und Verbraucherinteressen, die gegen die liberale Wirtschaftspolitik demonstrieren, leben in den autokratisch regierten Ländern Afrikas gefährlich. Vielen bleibt bei politischer Verfolgung nur die Flucht ins Ausland… Das Leid der Bauern und Fischer durch den ungerechten Handel kommt zu den sowieso schon geschundenen und verwundbaren Lebensverhältnissen noch hinzu, unter denen alle diejenigen in Afrika leiden, die nahe an und von der Natur leben müssen: Dürren, Schädlingsplagen, ausgelaugte Böden, Klimaveränderung, geplünderte Meere, Wasser- knappheit und Wasserverschmutzung sowie HIV/ AIDS tun ein Übriges. Vor allem die Ju- gend auf dem Lande versucht der Unsicherheit und Perspektivlosigkeit durch Migration vom Lande zu entkommen. In unseren Dörfern bleiben die Frauen und Kinder, die Alten, Kranken und Schwachen zurück. Deren geringes Potential verschärft den ungleichen Konkurrenzkampf mit der Importware noch einmal.1. d) Die Fischereiabkommen und ihre Folgen Die Küstenstreifen Westafrikas- vor allem vor Mauritius, Guinea Bissau und Senegal- gehörten bisher mit zu den fischreichsten Gründen der Welt. Die EU hat den dortigen Regierungen so genannte „Fischereiabkommen” abgehandelt. EU-Trawler haben das Recht innerhalb der 200 km Hoheitszone vor der Küste jede Menge Fisch herauszuholen. Riesige schwimmende Fisch- fabriken mit hoch technisierten Fanggeräten plündern diese Reserven ziemlich vollständig aus. Eine überdimensionierte EU-Fischfangflotte, die mit Hilfe von EU-Subventionen aufgebaut wurde, fischt mit ökologisch höchst zweifelhaften Fangmethoden die Gründe leer und zerstört die junge Brut. Der Fisch wird an Bord verarbeitet, und die unbrauchbaren Reste bzw. Der entstehende Müll werden ins Meer gekippt und verschmutzen die Gewässer. Der Fisch hat keine Chance gegen die High-tech. Auch die lokalen Fischer mit ihren winzigen Pirogen-Boo- ten haben keine Chance gegen die Kolosse. Die Abstandssumme, die die EU den westafrikani- schen Regierungen als Kompensation für die Fänge zahlt, kommt nie bei den lokalen Fischern an. Angesichts der leer gefischten Küste bleibt den hunderttausenden von Kleinstfischern kei- ne andere Nutzungsmöglichkeit für ihre Boote, als sie für lebensgefährliche Überfahrten von Mauretanien zu den Kanaren zur Verfügung zu stellen. Die überlebenden Fischer, die hin und wieder doch einen Fisch fangen, erleben ihre zweite lebensbedrohliche Krise, wenn sie versu- chen ihren Fisch auf den einheimischen Märkten abzusetzen. Die Märkte sind überschwemmt von billigem Beifangfisch der industriellen EU-Fangflotte. Wegen der zerstörerischen Fangme- thoden fällt immer mehr Fischschrott an, der zu Hause nicht zu verkaufen ist. Statt ihn- wie üblich- über Bord zu kippen, wird er am nächsten Hafen tiefgefroren verramscht und zer- stört die Preise für die lokalen Fischer.

1.e) Neo- Kolonialismus

Jahrhunderte lang wurden so genannte „Dritte- Welt- Länder“ durch Kolonialmächte ausgebeutet und zerstört, und noch immer basiert der Reichtum der EU und der west- lichen Welt auf der Ausbeutung und Unterdrückung dieser Staaten. Über 40 Millionen Menschen fliehen jährlich vor Krieg, Armut, Hunger, Verfolgung, Folter und weil ihnen die Lebensgrundlage entzogen wurde. Wie wir alle sind sie auf der Suche nach einem besseren Leben. Weltweit leiden 790 Millionen Menschen an Unterernährung, und täg- lich sterben 30.000 Kinder an den Folgen von Armut, während in Europa Lebensmittel gezielt vernichtet werden um Preise stabil zu halten. Armut und Hunger sind oft die Folgen von Kriegen; Kriege, die mit der Unterstützung der EU in den jeweiligen Herkunftsländern geführt werden. Dabei geht es nicht um die Verbesserung der Lebensbe- dingungen vor Ort, sondern um die Sicherung von Rohstoffressourcen und die Erschließung neuer Märkte.

2) Konflikte in Afrika kosten den Kontinent Milliarden

Die Konflikte in den afrikanischen Staaten kosten den Kontinent nach Schätzungen rund 18 Milliarden Dollar (13 Milliarden Euro) pro Jahr. Zwischen 1990 und 2005 haben blutige Konflikte Afrika rund 284 Milliarden US-Dollar gekostet, so viel, wie der Konti- nent Entwicklungshilfe erhielt. „Afrika kann es sich nicht leisten, dieses Geld zu verlie- ren“, schrieb die liberianische Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf in einem Vorwort fürden Bericht der Hilfsorganisationen Oxfam, Saferworld und International Action Net- work on Small Arms. Kriege und Militärkonflikte zerstören die Volkswirtschaften vieler afrikanischer Länder. “Die Armut in Afrika wird durch Kriege, Bürgerkriege und Auf- stände vergrößert, viele bereits erzielte Erfolge im Aufbau und in der Entwicklung wer- den wieder zerstört”, sagt Paul Bendix, Geschäftsführer der Hilfsorganisation Oxfam Deutschland. Afrika leide enorm unter Konflikten und Gewalt, schreibt Ellen Johnson- Sirleaf. In Liberia starben in fast 14 Jahren Bürgerkrieg etwa eine Viertel Million Menschen. “Der Preis, den Afrika (für diese Kriege) zahlt, könnte die Kosten zur Lösung der HIV/Aids-Krise abdecken oder Bildung, Wasserversorgung und die Verhinderung und Behandlung von Tuberkulose und Malaria finanzieren.” Grundlage der Studie sind Daten aus 23 afrikanischen Ländern. Berücksichtigt wurden sowohl direkte Kosten wie Rüstungsausgaben und zerstörte Infrastruktur, als auch Folgekosten (Anstieg von Inflation und Verschuldung, wachsende Arbeitslosigkeit, erhöhte Sterblichkeit). Im Ver- gleich zu friedlichen Ländern kommt es in den afrikanischen Ländern mit bewaffneten Konflikten zu einer 50 Prozent höheren Kindersterblichkeit, 15 Prozent mehr Menschen sind unterernährt und die Lebenserwartung reduziert sich um fünf Jahre, wie es in dem Bericht hieß. 20 Prozent mehr Menschen sind Analphabeten, es gibt 2,5 Mal weniger Ärzte pro Patient und 12,4 Prozent weniger Nahrungsmittel pro Person. Durchschnitt- lich schrumpft die Wirtschaftsleistung der afrikanischen Länder während eines Konflikts um 15 Prozent. Dieser Bericht stützt sich auf die erwarteten Wachstumsraten in den betroffenen Ländern, wenn sie keinen bewaffneten Konflikt erlitten hätten. Die Organisationen erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme, die Zahlen seien niedrig geschätzt. Es würden die wirtschaftlichen Auswirkungen auf friedliche Nachbarstaaten und die langfristigen Folgen der Konflikte darin nicht berücksichtigt sowie Rüstungsaus- gaben zu Friedenszeiten oder die Auswirkungen bewaffneter Kriminalität. Hinzu kommen die Kosten für internationale humanitäre Hilfe und Friedensmissionen– der UN- Einsatz im Kongo beispielsweise kostet mehr als eine Milliarde Dollar jährlich.

3) Die Ausbeutung der Rohstoffe

Bisher teilten sich vor allem die USA und die Europäische Union mit ihren ehemaligen Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich den Erdöl- und Ressourcenmarkt in Afrika auf. Die Endlichkeit fossiler Energieträger und die zunehmende Nachfrage nach Rohstoffen lassen Afrika seit einigen Jahren auch stärker in das Blickfeld des expandie- renden Schwellenlandes China rücken, das aufgrund des immensen Wirtschaftswachs- tums einen enormen Energie- und Rohstoffbedarf hat. Die Länder Indien und Brasilien sind ebenfalls an den Rohstoffen des Kontinents interessiert. Der afrikanische Konti- nent scheint vor einer weiteren Form der Ausbeutung zu stehen. Mit Wirtschaftsab- kommen soll den Vertragspartnern der Zugang zu den Ressourcen ermöglicht werden.

Ob Afrika wirklich davon profitieren wird, bleibt fraglich. Letztendlich will jeder nur seine Interessen vertreten und die Belange der Investoren aus den jeweiligen Wirtschaftsräumen bedienen. Die EU plant zum Ende des Jahres eine Energie-Partner- schaft mit den Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten (AKP-Staaten) und verbindet damit das Ziel, Energiesicherheit und Energieversorgung der Kontinente zu fördern und geeigneteRahmenbedingungen für Investitionen zu schaffen, die in engem Zusammenhang mit den EPAs (Economic Partnership Agreements) stehen. Die Europäische Union gibt sich mit den angestrebten Zielen wie “Beseitigung der Armut”, „Förderung nachhaltiger Ent- wicklung“, „Förderung der Menschenrechte“ und „Förderung der Demokratie” philan- thropisch. Doch die angestrebte Energiepartnerschaft wird vor allem von der Wirtschaft vorangetrieben, die zwar ein großes Interesse an den Rohstoffen der AKP-Staaten hat, aber erfahrungsgemäß wenig Interesse an der Beseitigung der Armut in diesen Ländern.

Wirtschaftsvertreter haben ihre Forderungen unlängst unmissverständlich definiert und die Vertreter der EU setzen sich bei den AKP-Staaten mit Nachdruck dafür ein. Die reichen Geberländer haben in der Vergangenheit kein gutes Bild hinterlassen, Afrika musste für die gewährten Kredite von der Weltbank und dem Internationalem Währungsfond Strukturanpassungsprogramme durchführen, unter deren Folgen die Bevölkerung massiv leidet. China hingegen hat sich aus afrikanischer Sicht als unkom- plizierter Geschäftspartner gezeigt, weil es zinsgünstige bzw. Zinslose Kredite bereits- tellt, ohne sich bisher erkennbar in politische Belange einzumischen. Als Importeur ist Afrika für China bedeutsam, beide führen rege Handelsbeziehungen. China hat einige Infrastrukturprogramme in afrikanischen Staaten realisiert und bietet jährlich 10.000 Afrikanern ein Studium in China. Darüber hinaus investiert China in die Länder, die westlichen Industriestaaten aufgrund der politischen Lage als zu unsicher gelten, wie beispielsweise Angola und Sudan. Auch Brasilien und Indien geben Mittel für Investi- tionen in Programme auf dem afrikanischen Kontinent ohne Auflagen zu Strukturan-passungen.

4) Kein Mensch flieht freiwillig

4. a) Europa ist auf politischer und wirtschaftlicher Ebene mit verantwortlich Menschen fliehen vor politischer Verfolgung und Unterdrückung. Sie fliehen vor Kriegssituationen, vor Hunger und Armut oder aus der Not, sich andernorts eine Lebensperspektive suchen zu müssen. Die Situation in Fluchtländern wird maßgeblich von den westlichen Industriestaaten gestützt. Die ehemaligen Kolonialstaaten in Europa unterstützen repressive Regime und Diktaturen im Trikot (so genannten „Dritte Welt“), soweit es ihren eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen dient. Auf die Jahrhunderte kolonialer Ausplünderung folgte die Ausbeutung durch westliche Konzerne. Die Folge sind die Zerstörung der Lebensgrundlagen vieler Menschen und soziales Elend. Ständig sind Millionen von Menschen auf der Flucht. Die meisten, vor allem Frauen und Kinder, fliehen in die angrenzenden Länder. Nur die wenigsten Flüchtenden gelangen nach Europa. Für alle bedeutet die Flucht eine Kräfte verzehrende Odyssee mit ungewissem Ausgang… „Was wollen die alle hier… sollen sie doch dahin gehen wo sie her kommen… das ist doch auch keine Lösung, wenn die alle hierher kommen…“; das sind Meinungen, die man schnell zu hören bekommt, wenn’s um Flüchtlinge geht. Die eigentlichen Ursachen für Flucht und Migration und dass es den Europäern gut geht, weil es anderen schlecht geht, lässt sich vom bequemen Sofaplatz gut ausblenden.

4. b) Aus den Augen, aus dem Sinn- „Festung Europa“
Die Außenpolitik der europäischen Union zielt seit längerem auf die totale Abschottung gegenüber Immigranten aus schlechter gestellten Ländern. So wird beispielsweise seit längerer Zeit über so genannte Auffanglager verhandelt, und diese Politik hat sich mittlerweile in der EU durchgesetzt. Die Schengen- Außengrenze wird befestigt und bewacht, wohin gegen beim innereuropäischen Raum der freie Personenverkehr zelebriert wird. So bildet beispielsweise die EU auch Libyens Grenzpolizisten aus, damit diese bereits im Vorfeld afrikanische Einwanderer abfangen können. In Nordafrika über- nahm bisher Marokko die Rolle des Grenzpolizisten der Europäischen Union, indem es afrikanische Flüchtlinge von der Grenze abhielt und teils unter Einsatz erschreckender Mittel deportierte und somit die schmutzige Arbeit für die Europäer übernahm. Auch in den neusten Ereignissen zeigen sich die toleranten EU-Staaten ob der Brutalität und Unmenschlichkeit der Behandlung der Flüchtlinge durch Marokko schockiert– dabei wird jeweils gerne vergessen, was eigentlich diese Abschiebungen überhaupt ermöglicht: die Deportation der Flüchtlinge von Spanien nach Marokko. Auch die spanische Regierung scheint in ihrer auferlegten Funktion als Außenposten der „Festung Europa“ gewillt, Flüchtlinge unter Einsatz aller erdenklichen Mittel von Europa fern zu halten.

Die EU nimmt mit ihrer Außenpolitik die systematische Misshandlung von Flüchtlingen und gröbste Menschenrechtsverletzungen bewusst in Kauf und unterstützt diese indirekt. Um sich die Hände in Unschuld waschen zu können, wurde nun Marokko ein Kredit von 40 Millionen Euro gewährt, um die Grenzbefestigungen weiter zu verstärken– getreu dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“.

4.c) Bekämpfung der „Symptome“ statt Ursachenbeseitigung Es scheint nur allzu offensichtlich, dass die EU nicht gewillt ist, die wahren Probleme anzugehen, und sich lieber mit Symptombekämpfung beschäftigt. Der deutsche Bun- desinnenminister Otto Schily meinte zum Thema Auffanglager beispielsweise, es sei oh- nehin einfacher, die Probleme dort anzugehen, als zu warten bis sie bei ihnen ange- langt seien. Über die Gründe der Flucht aus von Kriegen und Hungersnöten geplagten Ländern Zentralafrikas wird unterdessen recht wenig nachgedacht. Denn letztlich sind diese Ereignisse nichts anderes als die logischen Konsequenzen einer ökonomischen Globalisierung auf Kosten der Armen und der seit Jahrzehnten andauernden Ungerech- tigkeiten zwischen den reichen Industrieländern und den so genannten „Entwicklungs- ländern“. Insbesondere Afrika ist als ärmster Kontinent von der Ausbeutung am Schlimmsten betroffen, und es ist nur zu verständlich, dass diese Situation Migrations- versuche verzweifelter Menschen auslöst. Die Schweiz rühmt sich zwar einer humani- tären Tradition, praktiziert aber mittlerweile eine restriktivere Asylpolitik als die Norm der EU-Staaten erlaubt. Die wenigen Asylbewerber, die es trotz aller Hürden weiterhin in die Schweiz schaffen, werden durch ein beschleunigtes Verfahren geschleust. In den meisten Fällen wird auf ihr Gesuch gar nicht erst eingegangen und sie werden mit ei- nem Nichteintretensentscheid wortwörtlich auf die Strasse gestellt! Es bleibt ihnen nur noch die Möglichkeit, Nothilfe durch den Aufenthalt in einem Minimalzentrum in den Bergen zu beziehen. Dieser Aufenthalt wird durch die Abschottung von der Bevölke-rung bewusst unattraktiv gestaltet, da sich niemand weiter als 2 Kilometer vom Zen- trum entfernen darf. Ohne ausreichende medizinische Versorgung und unter ständiger Videoüberwachung müssen die Menschen im Zentrum der politischen Situation in der Schweiz standhalten. Obwohl von der UNO schärfstens kritisiert, will die Schweiz am neuen Sozialhilfestopp festhalten und diesen sogar auf alle abgewiesenen Asylbewerber ausdehnen… Für die wenigen Flüchtlinge, die bis an die Grenzen Europas gelangen, stellt sich die EU meist als unbezwingbare Festung dar. Verhaftung und sofortige Abschiebung sind die Regel. Beim Versuch, das engmaschige Netz der Abschottung und Überwachung zu überwinden, sterben jedes Jahr Hunderte von Flüchtlingen. Nur ein Bruchteil von diesen Vorfällen gelangt an die Öffentlichkeit. Unter dem Stichwort „Sicherheit“ wird Europa an seinen Grenzen und in seinem Inneren mehr und mehr über- wacht. Dies betrifft vor allem Flüchtlinge und Migranten.

5) Unfähigkeit zur Integration in die Welt- Gesellschaft

Ausgrenzung, Isolation und Kriminalisierung ist kennzeichnend für die Flüchtlingspolitik in der EU. Die Staaten der EU versuchen, Europa zu einer asylfreien Zone zu machen, was tödliche Konsequenzen nach sich zieht. Menschen ertrinken im Mittelmeer, wer- den an den Grenzzäunen von Ceuta und Melilla erschossen oder werden in der Wüste von Libyen und Marokko ausgesetzt. Mit rigiden Ausländergesetzen, Grenzen, Lagern, Gefängnissen und Abschiebungen versuchen die EU-Staaten zu kontrollieren, wer sich in ihrem Hoheitsgebiet aufhält. Dies bedeutet nicht nur ein Festhalten an rückständi-gen, nationalistischen Ideologien des 19. und 20. Jahrhunderts. Sie sichern sich damit eine Vorrangstellung in einem weltweiten kapitalistischen System, das der Mehrzahl der Menschen den Zugang zu lebenswichtigen wirtschaftlichen, natürlichen und sozialen Ressourcen verwehrt und große Teile der Welt für die Steigerung des ökonomischen Profits zerstört. Während sie Kapital und Waren eine immer größere Bewegungsfreiheit einräumen, beschränken sie die Bewegungsfreiheit der sechs Milliarden “Mitglieder der menschlichen Familie” (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte) mit immer rigideren Mitteln. Diese Politik ignoriert die Realität, dass es schon immer Menschen gab und immer geben wird, die sich trotz aller gesetzlichen Verhinderungsversuche auf den Weg machen, um einer Existenz bedrohenden Lebenssituation zu entkommen und bessere Lebensperspektiven zu finden. Staaten, die diese Realität nicht wahrhaben wollen, beweisen damit nur ihre Unfähigkeit, sich in eine Weltgesellschaft zu integrieren. Indem sie an ihrer nationalstaatlichen Ideologie festhalten, nehmen sie in Kauf, Menschen zu quälen, ihrer Rechte zu berauben und ihre Würde zu missachten.

6) Resumée

Es gilt deshalb die Fluchtursachen zu minimieren, anstatt die Grenzen nach Europa dicht zu machen und Folgen zu bekämpfen. Dafür bedarf es einer umfassenden En- twicklungshilfe und lokaler Bildungsprogramme für die Bevölkerung in den Herkun- ftsländern. Gleichzeitig muss die legale Einwanderung vereinfacht werden, damit Flüchtlinge sich nicht mehr dem lebensbedrohlichen Risiko der bisherigen gefährlichen Wege nach Europa aussetzen müssen. Die EU muss endlich dafür sorgen, dass die töd-lichen Grenzanlagen abgebaut werden. Zudem brauchen die Hauptzielländer wie z.B.

Griechenland und Spanien finanzielle Unterstützung von der EU, damit die Flüchtlinge mit humanitärer Hilfe versorgt werden können. Des Weiteren müssen die EU- Agrar- subventionen abgeschafft werden, durch die der afrikanische Markt und folglich die Existenzgrundlagen vieler Menschen zerstört werden. Die EU-Fischereipolitik darf nicht weiter so betrieben werden wie momentan, da sie die Lebensgrundlage vieler Fischer zerstört und die Armut in Afrika noch verstärkt… Ein altes Sprichwort sagt: „Wenn du jemandem helfen willst, satt zu werden, dann gib ihm einen Fisch. Wenn du jemandem helfen willst, sich zu ernähren, dann zeige ihm die Technik des Fischens.“ Dieses Sprich- wort ist eine uralte Einsicht der Menschheit, doch ihre Durchführung ist schwierig. Wir denken heute vor allem an die wirtschaftliche Hilfe für die Entwicklungsländer. Jeder Mensch kann Techniken erlernen, um sich zu ernähren. Doch oft macht es die politi- sche Situation fast unmöglich, im sozialen Frieden wirtschaftliche Strukturen aufzubau- en. Europäer müssen den Menschen in der so genannten „Dritten Welt“ zuerst ihr ver- lorenes Selbstbewusstsein wiedergeben, damit wir selbst Wissen erwerben und Techno- logien entwickeln können, die für uns hilfreich sind. Die wirtschaftlichen Techniken müssen den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden. Es muss nicht überall auf der Welt derselbe Wohlstand erreicht werden, doch die Menschenrechte sind unteilbar.

Wir sind nicht immer nur die Erbarmungswürdigen. Das Mitleid muss ein Ende ha- ben, es muss der Kooperation weichen. Die Zusammenarbeit sollte uns die Auswege zeigen. Wir Afrikaner müssen lernen, uns aus Situationen der Not selbst zu befreien.

Das sind Grundeinsichten der menschlichen Kommunikation; die Schwächeren wollen nicht immer hilflos bleiben. Wir müssen die Möglichkeit erhalten, uns auf unsere eige- nen Füße zu stellen und unsere Probleme selbst zu lösen. Eine gleichwertige Kommuni- kation zwischen Afrika und Europa ist nötig. Die Schwächeren haben das Recht, Fehler zu machen. Wir werden diese selbst als solche erkennen und daraus lernen. So können die Europäer uns Afrikanern „Hilfe zur Selbsthilfe“ geben, und wir werden lernen, unse- re sozialen und wirtschaftlichen Probleme selbst zu lösen… „Die Nahrung, die uns ohne Anstrengung gegeben wird, tötet unsere Würde. Vielmehr ist die Nahrung der Preis für unsere Mühe und Arbeit. Wir wollen vom Ertrag unserer Hände leben, dies ist unsere Würde. Wir wollen den Erfolg unseres Mühens genießen können.“ (B. Tigula) Dies sind Erfahrungen von Menschen, die an harte Arbeit gewöhnt sind. Wir wollen nicht, dass uns die Güter des Lebens ohne Mühe in die Hände fallen. Wir wollen sie verdienen.

Dies muss man in der Entwicklungshilfe bedenken. Viele Menschen in Afrika wollen selber Maschinen und Techniken entwickeln und dabei eigene Entdeckungen machen. In uns allen ist das Bedürfnis, uns anzustrengen und Neues zu schaffen. Und die Menschen in Europa müssen sich fragen, ob Reichtum ohne Mühe und auf Kosten anderer ein tragfähiges Ziel ist. Vielmehr sind doch zwischenmenschliche Werte wie Familie und Freundschaft, Vertrauen und Zuverlässigkeit wichtiger als Geld. Es lohnt sich, wenn wir uns dafür entscheiden, uns unser Leben lang für Gerechtigkeit und Verständigung ein- zusetzen und für die Rechte der ärmsten Kinder auf der Welt einzutreten. So werden wir über alle sozialen, kulturellen und politischen Gegensätze hinweg Brückenbauer sein.

Im Namen von RACiBB (Rat Afrikanischer Christen in Berlin/ Brandenburg e.V)
danken wir für die Einladung zu der Veranstaltung
„Konferenz SOS- Flüchtlinge in Not! Das Sterben an den Grenzen stoppen“
und für Ihr Engagement für Flüchtlinge!
Pastor F.P. Arthur von der Gemeinde „Akebulan- Globale Mission e.V.“
(e: info@akebulan-gm.org; Web: www.akebulan-gm.org)